Neuwirth Messsender

Steckbrief

Modell:  Neuwirth MS 5/U 150F

Baujahr: ??

Röhren: 3x EF80, EL86, EC92, ECC801S, E280F, E180F, STV85/10

Dioden: diverse

Anschaffung: August 2021

Fertigstellung: 15.04.22

Modulation: AM / FM

Gehäuse: Stahlblech

Frequenzen: 0,44 - 190 MHz in mehreren Bereichen

Link zu rm.org: MS 5/U 150F

 

Reparaturbericht

Dieses Gerät erhielt ich im Zuge eines Tausches gegen einen Collins Kurzwellenempfänger von einem Sammlerkollegen. Zwar befand ich mich bereits im Besitz einiger Prüf- und Messsender, allerdings waren diese alle von minderer Qualität oder deckten nicht alle Frequenzen ab, die ich brauchte. Selbst mein großer Rohde und Schwarz SMAF, den ich sonst bevorzuge, liefert mir keine AM-ZF von 460 kHz.

 

Die große Stärke des Neuwirth liegt in seiner universellen Einsetzbarkeit. Er deckt bis auf die Langwellenbänder den kompletten Rundfunkbereich ab, darunter auch die wichtigen Zwischenfrequenzen von 10,7 und 0,46 MHz und erlaubt sowohl Frequenz-, als auch Amplitudenmodulation. Hinzu kommt ein sehr angenehm zu bedienender Abschwächer, der das Singal an alle gewünschten Bedingungen anpasst, eine große, gut abzulesende Skala und ein Feinregler, mit dem exakt die Bandbreite eines Filters ausgelotet werden kann.

Daneben bietet er auch noch einen Quarzoszillator, der entweder mit dem internen Kristall fest auf 1 MHz arbeitet oder mittels Steckquarzen von der Frontseite aus auf andere Frequenzen festgelegt werden kann.

 

Die einzigen Mankos sind in meinen Augen die fehlenden Langwellenbänder (wobei das auch zu viel verlangt wäre und ich dafür ein anderes Gerät an der Hand habe), das Loch im UKW-Band zwischen 90 und 130 MHz, was keinen Abgleich auf 100 MHz zulässt (dafür nehme ich dann den R&S) und eine etwas extravagante Röhrenbestückung, die aber im normalen Betrieb nicht stört.

Bis auf diese Kleinigkeiten handelt es sich eigentlich um eine eierlegende Wollmilchsau.

 

Als ich ihn entgegennahm, sagte man mir, daß die HF nicht ginge. Nun gut, das konnte alles oder nichts bedeuten. Ich nahm ihn mit nach Hause und lagerte ihn vorläufig ein, bis ich die Ruhe für so ein Projekt hatte.

An Ostern 2022 buddelte ich ihn aus und wuchtete den Trümmer auf die Werkbank. Die schweren Griffe an der Seite des massiven Gehäuses sind nicht zum Spaß dort angebracht...

Da mein Vorgänger bereits daran gearbeitet hatte, war das Gehäuse nur mit zwei Schrauben verschlossen, die restlichen fand ich im Inneren vor.

Es handelt sich um ein sehr liebevoll und durchdacht gestaltetes Gerät, das die Kleinserienproduktion erahnen lässt. Vieles könnte auch von einem versierten Bastler stammen und alles ist filigran aber doch robust aufgebaut. Natürlich reicht die Qualität nicht ganz an den R&S heran, aber dafür ist die Kabelführung eine Augenweide. Wer will da schon Platinen haben?

Da soll noch einmal jemand sagen, eine Freiverdrahtung wäre ein Drahtverhau! - Alte Schule!
Da soll noch einmal jemand sagen, eine Freiverdrahtung wäre ein Drahtverhau! - Alte Schule!
Rechts das Netzteil, links in der grauen Kiste die gesamte HF-Schaltung
Rechts das Netzteil, links in der grauen Kiste die gesamte HF-Schaltung
In der Kiste wohnen ein Revolver und seine Peripherie
In der Kiste wohnen ein Revolver und seine Peripherie
Eine weitere Kiste in der Kiste beherbergt die Ausgangsstufe
Eine weitere Kiste in der Kiste beherbergt die Ausgangsstufe

Nachdem ich die Matrjoschka ausgepackt hatte, konnte es also an die Fehlersuche gehen.

Alle kritischen Kondensatoren waren schon getauscht, der Netzteilelko und die Gleichrichter schienen noch in Ordnung zu sein. Ein kurzer Probelauf an der Vorschaltlampe zeigte eine normale Stromaufnahme und das Fehlerbild bestätigte sich: Keine HF und auch keine Anzeige derselben.

 

Da ich keinen Schaltplan hatte, begann ich in der üblichen Reihenfolge, zunächst das Netzteil zu prüfen. Mir fiel auf, daß die Stabilisatorröhre nicht glimmte.

Ich überbrückte die Vorschaltlampe und sofort zündete die Röhre. Immer noch keine HF...

 

Als nächstes folgte eine Sichtprüfung, da ich mangels Schaltplan keinen wirklich guten Ansatzpunkt hatte und mir zunächst einen Überblick über den grundlegenden Aufbau verschaffen wollte.

Dabei fiel mir an der Fassung der E280F eine Schmauchstelle auf.

Der vertikal verbaute Rohrkondensator war unten angebrannt.
Der vertikal verbaute Rohrkondensator war unten angebrannt.
Beim Anfassen zerbrach der Kondensator sofort und gab einen verschmorten Widerstand frei
Beim Anfassen zerbrach der Kondensator sofort und gab einen verschmorten Widerstand frei

Offenbar waren der Kondensator und der Widerstand bei einem vorherigen Reparatureinsatz versehentlich gegeneinandergebogen worden und hatten einen Kurzschluß verursacht, mit dem hier gezeigten Ergebnis.

Da der Kondensator zerbrochen und der Widerstand unterbrochen war,  musste für beides Ersatz her. 10 nF - Rohre in der gleichen Bauform hatte ich zum Glück wie Sand am Meer da und ein 150 Ohm - Widerstand fand sich auch noch in der geforderten Belastbarkeit.

Zu meiner noch größeren Freude saßen beide Teile nicht an einer frequenzbestimmenden Stelle, sodaß ich sie ohne Abgleich einfach wechseln konnte. Ein solcher wäre ohne Anleitung auch ziemlich mutig gewesen.

Als alles wieder zusammengelötet war, warf ich das Gerät an und nach 30 Sekunden hatte ich ein sauber moduliertes Signal auf dem Schirm meines Oszilloskops!

Manchmal gehen Reparaturen eben doch deutlich schneller als gedacht... Genaues Hingucken erspart einem oftmals eine langwierige Fehlersuche.

 

Ich baute alles wieder zusammen und ließ das Gerät eine Stunde warmlaufen, um Temperaturkonstanz zu erreichen. Anschließend schloß ich den Frequenzzähler an und kontrollierte die Skala.

Was soll ich sagen: Nach etlichen Jahrzehnten stimmte sie noch, als hätte man sie eben abgeglichen, was mein Glück war.

Somit war die Arbeit bis auf ein wenig Staubwischen und Ölen der Zahnräder des Skalentriebes abgeschlossen und der Sender kann wieder seinen Dienst antreten.

 

Ein letztes Problem bestand noch in dem etwas vorsintflutlichen HF-Anschluß, den das Gerät werkseitig mitbringt.

Es handelt sich dabei um einen Druckkontaktstecker, den Rohde und Schwarz unter der Bezeichnung "Dezifix" einführte und der eine schnelle und robuste Kontaktierung ermöglichen sollte. Zwar tut er das, aber dafür ist er auch sauschwer, klobig und heute nicht mehr aufzutreiben.

Mein SMAF war schon auf BNC umgebaut, als ich ihn übernahm, denn auch dieses Gerät war ursprünglich mit einem Dezifix-Anschluß versehen.

Normalerweise hätte ich einfach ein Loch in die Fronplatte gebort und eine BNC-Buchse parallelgeschaltet. Das wäre eine saubere und praktische Lösung gewesen und hätte den originalen Kontakt erhalten.

Da das Gerät allerdings völlig unverbastelt war, widerstrebte es mir, es wie einen schweizer Käse zu durchlöchern. Also musste ein Adapter her.

 

Das erste Problem bestand in der Beschaffung eines Dezifixsteckers. Tatsächlich trieb ich noch ein Verbindungskabel aus Bundeswehrbeständen auf, das einen solchen Stecker hatte. Nun ist es aber leider so, daß ein Dezifixstecker naturgemäß für ein viel dickeres Koaxialkabel als eine BNC-Kupplung kontruiert und auch nicht verlötet ist, sondern über Pressteller verklemmt wird. Als ich das Kabel und den Stecker zerlegt hatte, wurde mir klar, daß das nicht so einfach werden würde, wie ich gehofft hatte.

Dezifix-Anschluß am Sender
Dezifix-Anschluß am Sender

Nachdem ich ein paar Tage gebrütet hatte, ging das große Basteln los.

Aus alten Kabeln, Adaptern und Kniestücken suchte ich mir passende Fittings und Verbindungen heraus, um irgendwie einen Adapter zu bauen.

Die Lösung war dann ein wenig kurios, aber durchaus annehmbar. Statt der Klemmmutter, mit der das Kabel im Stecker zugentlastet wird, schraubte ich ein altes Fitting ein, in das ich zuvor eine BNC-Buchse eingepresst hatte.

Die Seele konnte ich dann beidseitig verlöten. Als problematischer erwies sich der Außenleiter, da zwischen dem Kragen des Steckers und dem der Buchse nur das Plastikgehäuse des Steckers lag.

Löten konnte ich an der Stelle auch nichts, da kein Platz und die Stellen thermisch schwierig waren.

So verfiel ich auf die Idee, einfach die Innenseite des Gehäuses mit Leitsilber einzupinseln.

Die BNC-Buchse konnte ich von hinten an ihrem Schraubgewinde kontaktieren und auf der anderen Seite versilberte ich das Gewinde im Gehäuse, in der der metallische Dezifix-Kragen eingeschraubt wird.

Nachdem ich alles einen Tag hatte trocknen lassen, ergab sich ein Widerstand von rund zwei Ohm, was ich als akzeptabel ansah.

Nachdem ich alles verschraubt hatte, fiel er durch die größere Kontaktfläche sogar auf null Ohm.

Auch wenn es erst einmal etwas labil klingen mag, so ist der Adapter äußerst robust geworden und auch die Lösung mit dem Leitsilber sollte lange halten, da die Komponenten mechanisch nicht belastet sind.